Der Zyklus „ZEITENWENDE“

Die Jahre 2002 bis 2005 standen ganz im Zeichen der Arbeit an einem Zyklus, bestehend aus dreizehn teils großformatigen Gemälden. Sie waren Höhepunkt der gleichnamigen Ausstellung in der Kunstallianz 1 in Berlin im Jahr 2005.
Der Katalog zu dieser Ausstellung gibt einen beeindruckenden Überblick über das Werk des Künstlers, geschrieben von dem Berliner Wolfgang Thiede, einem profunden Kenner der Malerei Albrecht Gehses, der alle Facetten des umfangreichen Werks kenntnisreich erläutert.

Aus diesem Text stammen die – in sich ungekürzten – Zitate.

„Gegenüber den Form-Pionieren in der modernen Kunst, etwa den verwissenschaftlichten Methoden des Pointillismus, den Konzepten der Abstrakten oder den Stilisierungen der Pop-Art kann Albrecht Gehses Malerei auf den ersten Blick traditionell erscheinen. Zunächst in der Nachfolge von Soutine oder dem späten Corinth, aber auch als Wiederaufleben älterer Muster, wie in den späten Bildnissen Tizians oder Rembrandts. Eine solche Sehweise bleibt jedoch weitgehend an der Oberfläche, sozusagen bei der Betrachtung der Malhaut stehen.
Die blutvolle Malweise darf uns nicht täuschen. Sie kommt allerdings so kraftvoll daher wie bei den vorangegangenen malerischen Expressiven. Es ist schon so: Extrem gesteigertes farbiges Sehen und eine geradezu primitive Unmittelbarkeit von Mallust treiben den Maler Gehse zu seinen Bildern an.”

„Was Gehses spannungsvolle Bilder über seinesgleichen hinaushebt, ist etwas, das wir seit Beckmann in der deutschen Kunst lange nicht mehr gesehen haben: die Schaffung eigener Mythen. Gehse hat, so wenig wie Beckmann, irgendeinen Bildgegenstand erfunden. Aber er malt Bilder, die, vor allem Inhaltlichen, allein aufgrund ihrer suggestiven Kraft und emotionalen Wirkung im Gedächtnis bleiben. Sie stellen sich den Inhalten von heute, der Vieldimensionalität von Leben und Gesellschaft, mit Sinnbildern, die aufdecken und zugleich verhüllen, nur verrätselt Auskunft geben können.”

„Gehses große Kompositionen sind allesamt große Gesellschaftsbilder. Aber er zeichnet in diesen Konfliktbildern unserer Gesellschaft die Brüche und Widersprüche nicht unmittelbar nach. Und er grenzt sie nicht auf Schilderung und Kritik der sozialen Wirklichkeit ein. Dabei ist Gehse nicht etwa weniger „kritisch” oder „realistisch” als die Realismus-närrischen Kritischen Realisten. Aber in seinen Bildfindungen voller sich brechender Bezüge sowie vermittelnder oder ausschließender Sinnbilder treten diese Brüche und Widersprüche reiner und unmittelbarer zutage, künstlerischer. Wobei er bei allem Sich-Einlassen auf die Vielfalt der Phänomene spürbar eine Totalität im Blick behält.”